Die ZKM Streuobstwiese als UNESCO Kulturerbe
Seit dem 1. Januar 2020 pachtet und bewirtschaftet das ZKM eine eigene Streuobstwiese im Rahmen der Ausstellung »Critical Zones. Horizonte einer neuen Erdpolitik«. Nun ist diese auch offizielles »immaterielles Kulturerbe«.
VON LENA SCHNEIDER
Der Streuobstanbau ist nun Bestandteil des Bundesweiten Verzeichnisses des Immateriellen Kulturerbes der Deutschen UNESCO Kommission – dies beschloss die Kultusministerkonferenz am 19. März 2021 auf Vorschlag des Landes Baden-Württemberg.
Streuobstwiesen sind kulturell und ökologisch wertvoll
Unter »immateriellem Kulturerbe« werden gelebte Traditionen und lebendige Alltagskultur verstanden, die durch Bewahrung dieses Erbes fortgeführt und weiterentwickelt werden sollen. Dabei ist der Streuobstanbau eine länderübergreifende Kulturform, die ein breites Repertoire an traditionellen Praktiken und Wissen beinhaltet. Für den deutschen Südwesten seien Streuobstwiesen maßgeblich mitprägend für das »Selbstverständnis als Kulturland«, außerdem als »attraktive Kulturlandschaften« auch touristisch bedeutsam, so Kunststaatssekretärin Petra Olschowski. Baden-Württemberg verfügt mit über 100.000 Hektar über die europaweit bedeutendsten Streuobstbestände.
Streuobstwiesen sind ebenso nicht nur kulturell, sondern auch ökologisch wertvoll. Sie gehören zu den artenreichsten Lebensräumen sowie sortenreichsten Anbaugebieten in Mitteleuropa, fördern und erhalten Biodiversität. Sie werden umweltverträglich bewirtschaftet unter gänzlichem Verzicht auf Pestizide, Dünger oder ähnliches.
Die Streuobstwiese als Praxisteil der Gedankenausstellung »Critical Zones«
Unter diesen ökologischen und kulturellen Gesichtspunkten hat das ZKM bereits seit dem 1. Januar 2020 im Rahmen der Ausstellung »Critical Zones. Neue Horizonte der Erdpolitik« die Katzenwedelwiese in Bulach (Karlsruhe) gepachtet um sie neuzugestalten. Bis 2025 trägt das ZKM die Verantwortung, die Wiese gemeinschaftlich zu pflegen. Die Wiederbelebung der Streuobstwiese ist Teil der künstlerischen Praxis von Stéphane Verlet-Bottéro und ein Ergebnis seiner Beteiligung am Ausstellungsprojekt.
»Critical Zones. Horizonte einer neuen Erdpolitik« ist nicht nur eine Ausstellung, sondern auch ein »Gedankenexperiment«: das Projekt fokussiert die eklatanten klimatischen ökologischen Mutationen sowie deren unauflösliche Verbindung zu aktuellen geopolitischen Krisen. Die Ausstellung und das dazugehörige Programm laden dazu ein, sich mit der kritischen Lage der Erde auf vielfältige Art und Weise zu befassen. In diesem Sinne wirft sie auch Fragen danach auf, welche Verantwortung Kulturinstitutionen in Zeiten der Klimakrise haben und inwiefern die Praxis des Ausstellungswesens mit Blick auf Klimaneutralität neu gedacht werden kann.
Die Streuobstwiese wird zu einem Teil dieses Gedankenexperiments: Mitarbeitende des ZKM besuchen die Wiese und führen dort unter Anleitung von Biolog:innen und Kolleg:innen des Liegenschaftsamts der Stadt Karlsruhe verschiedene Workshops durch, etwa einen Baumschnittkurs, eine Einführung in Mähmaschinen oder das Ernten der Äpfel und Birnen. Diese Interaktion mit der Wiese lädt zum Perspektivwechsel ein: sie sensibilisiert dafür, dass wir nicht in beherrschbarer Distanz zu unserer natürlichen Lebenswelt stehen. Wir stecken inmitten der Wechselwirkung dynamischer Prozesse, in einer Vielfalt der Beziehungen mit anderen Lebensformen.
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